Die zum Betrieb einer Musikwiedergabeanlage erforderliche Verstärkerleistung hängt i.A.

a. vom geforderten mittleren Schallpegel
b. dem Wirkungsgrad der Lautsprecherboxen
c. dem Impedanzverlauf der Lautsprecherboxen
d. der Raumakustik (Raumgröße, Nachhall und Bedämpfung)
e. dem zu übertragenden Musikmaterial
f. und nicht zuletzt von Hörposition und Anzahl der Hörer ab.

Wer es genau wissen möchte, kann den erzielbaren Schalldruck im Höraum hier berechnen. Abhängig von Volumen und Bedämpfung des Hörraums kann für eine bestimmte Lautsprecherbox für einen bestimmten Schallpegel die erforderliche elektrische Leistung bestimmt werden. Allerdings gilt dies dann nur für ein Signal mit konstantem mittlerem Pegel.
Nehmen wir einen Normwohnraum (nach IEC: 80 m³ Volumen mit 2.8 m Höhe, 6.7 m Länge und 4.2 m Breite, mittlere Nachhallzeit 0.5 s), so wird ein Lautsprecherboxenpaar mit einer Empfindlichkeit von 90 dB/W (1 m auf Achse gemessen) einen Schallpegel von ca. 85 dBA an der Hörposition mit einer Verstärkerleistung von 1 W produzieren. Dies ist eine für die meisten Hörer akzeptable Lautstärke.
100 dBA sind schon eine sehr hohe Abhörlautstärke, während 106 dBA schon die elektrische und mechanische Grenze der meisten hochwertigen Systeme markieren; 112 dBA entsprechen der Abhörlautstärke im Studio bzw. bei einem Rockkonzert.
Die dazu erforderlichen Verstärkerleistungen errechnen sich wie folgt:

Schalldruck (dBA)
Verstärkerleistung (W)
94 9
100 36
106 150
112 600

 

Wie man leicht erkennen kann, benötigt man zur jeweiligen Verdoppelung des Schalldrucks (+6 dB) jeweils die vierfache Verstärkerleistung.
Dies ist allerdings nur eine sehr grobe Einschätzung, da in der Praxis die erforderlichen Verstärkerleistungen noch von sehr vielen anderen Parametern abhängen.

Ein wichtiger Faktor ist der Dynamikbereich des Programmmaterials (Vinyl-Platte, CD).
Moderne Musikaufnahmen sind aus vielerlei Gründen derartig komprimiert, so daß zwischen Spitzen- und Mittelwert nur 5-10 dB Dynamikabstand zu finden sind.
Das bedeutet z.B. bei einem mittleren Abhörpegel von 90 dBA, für den eine Verstärkerleistung von 5 W erforderlich ist, daß der Verstärker über Spitzenreserven von 50 W verfügen sollte, um die auftretenden Impulsspitzen verzerrungsfrei zu übertragen.
Bei hochwertigem Programmmaterial kann allerdings der Abstand zwischen Spitzen- und Mittelwert durchaus 20 dB betragen, so daß in diesem Fall schon 500 W Verstärkerreserven angesagt wären.
In der Praxis reichen aber übliche 100 W Verstärkerleistung aus, wenn dafür gesorgt wird, daß die mittlere Leistungsaufnahme der Lautsprecherboxen 1 W nicht übersteigt (oder man hört eben entsprechend leiser).
Es lohnt sich also durchaus, auf eine hohe Empfindlichkeit der Lautsprecherboxen zu achten. Eine Erhöhung der Empfindlichkeit um 3 dB entspricht einem um die Hälfte verringertem Leistungsbedarf.
In diesem Zusammenhang ernüchtert auch die Tatsache, daß zwischen Verstärkerleistungen von 100 W und 150 W (oder z.B. 40 W oder 60 W) nur fast bedeutungslose 1.76 dB Schallpegeldifferenz liegen.

Doch das ist leider noch nicht alles, was man bei der Verstärkerdimensionierung zu berücksichtigen hat.
Die genannten 100 W beziehen sich z.B. auf eine Messung der Verstärkerleistung an einem Lastwiderstand von 8 Ohm.
Ein Verstärker, der nominal 100 W an 8 Ohm liefert, benötigt dafür bei einer zulässigen minimalen Nominalimpedanz von 6.4 Ohm 4.42 A, bzw. einen Spitzenstrom von 6.25 A.
Die Impedanz von Lautsprecherboxen ist in der Regel nie konstant, so daß in der Praxis auch die Impedanz auf ein Drittel oder weniger ihres Nominalwertes absinken kann. Somit wird ein Spitzenstrom von 16 A erforderlich. Um hier dann verzerrungsfrei zu arbeiten, ist der somit dreifache Wert des normalerweise erforderlichen Stromes (und damit die dreifache Leistung) nötig. Dies würde mehr den tatsächlichen Anfordernissen entsprechen. Rechnet man noch ein paar übliche Reserven dazu, so kommt auf einen erforderlichen Spitzenstrom von ca. 25 A (wie gesagt, bei einem 100 W-Verstärker !).
Dieser Spitzenstrom sollte dann auch mindestens 200 ms lang vom Verstärker geliefert werden können, statt der von der Norm (IHF 202) geforderten 20 ms.

Grundsätzlich ist also der Gesamtverlauf der Impedanzkurve der Lautsprecherboxen von elementarer Bedeutung für die Verstärkerwahl. Ein konstanter Impedanzgang erleichtert hier viel und bringt klangliche Vorteile.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang hängt mit der Konstruktion des Tieftonbereichs der Lautsprecherboxen zusammen. Man unterscheidet hier in diesem Zusammenhang mechanisch oder elektrisch gebremste Systeme. Beide Systeme unterscheiden sich auch im Wirkungsgrad. Elektrisch bedämpfte Systeme verfügen i.a. eher über einen hohen Wirkungsgrad, während mechanisch bedämpfte Systeme aufgrund ihrer hohen mechanischen Verluste und kleinen Magnetantriebe meist einen niedrigen Wirkungsgrad haben.
Elektrisch gebremste Systeme erzeugen aufgrund ihres starken Antriebs (Magnet) eine sehr hohe Gegen-EMK, die bei der Resonanzfrequenz zu einer hohen Impedanzspitze führt. Dies führt im Bereich des Hauptleistungsbedarfs zu einem verringertem Strombedarf, der wiederum bestimmten Verstärkern, die hohe Spannungen, aber wenig Strom liefern, wie z.B. Röhrenendstufen, aber auch vielen Transistorverstärkern, zu gute kommt.
Mechanisch gebremste Systeme zeichnen sich durch eine geringe Impedanzerhöhung bei der Resonanzfrequenz aus und fordern daher dem Verstärker viel Strom ab. Hier sind geringere Spannungen und dafür vergleichsweise höhere Ströme zum stabilem Betrieb erforderlich.
So ist dann auch ohne weiteres ersichtlich, daß nicht jede Lautsprecherboxenkonstruktion mit jeder Verstärkerkonstruktion harmonieren muß. Hier hilft nur Ausprobieren vor Ort.

In diesem Zusammenhang sollte auch noch die Erfahrungstatsache berücksichtigt werden, daß auch der Klang des Verstärkers in engen Zusammenhang mit seiner maximalen Ausgangsleistung zu sehen ist. Pauschal läßt sich sagen, daß kleine (d.h. mit geringer Ausgangsleistung) Verstärker im Mittelhochtonbereich ihre klangliche Stärken, im Tieftonbereich dagegen ihre Schwächen haben, während es bei leistungsstarken Verstärkern in der Regel genau umgekehrt ist. Dies hängt u.a. auch damit zusammen, daß bei leistungsstarken Verstärkern in der Stromverstärkungsstufe viele Halbleiter parallel geschaltet werden müssen, deren Kapazitäten sich dann addieren und zu einer niedrigen Grenzfrequenz führen können.
Auch aus diesem Grund lohnt es sich, auf hohe Empfindlichkeit der Lautsprecher zu achten (an dieser Stelle einmal davon abgesehen, daß Lautsprecher mit hohem Wirkungsgrad auch handfeste klangliche Vorteile haben).

Ein weiterer Punkt ist die Bedämpfung des Hörraums. Je stärker diese ausgeführt ist, desto mehr Leistung ist erforderlich, um einen bestimmten Schalldruck am Hörplatz zu erzeugen.
Dämmt man den Hörraum, um z.B. sich die Nachbarn akustisch vom Leib zu halten, muß man auch selbst mit einer verringerten Abhörlautstärke leben können.
Erhöht man nämlich diese jetzt auf den Wert vor Bedämpfung des Hörraums, kommen die Nachbarn wieder in den (zumeist unerwünschten) gleichen Hörgenuß wie zuvor.
Außer, daß mehr Leistung im Lautsprecher und Verstärker verheizt wurde (von den Kosten der Bedämpfung mal abgesehen), ist nichts passiert.
Wenn man Glück hat, ist nur eine frequenzselektive Dämpfung im Tieftonbereich nötig. Man linearisiert den Frequenzgang im eigenen Hörraum und entspannt nebenbei das Verhältnis zu seinen Nachbarn.
Allerdings muß auch hier aufgepasst werden, da einige Dämpfungsmaßnahmen auf einer besseren Anpassung an die Schallkennimpedanz der Wand des Hörraumes basieren und somit den Schalldurchgang durch die Wände erleichtern ;).

Was können wir aus alledem erkennen?
Zuviel Verstärkerleistung kann es nicht geben, wenn, dann eher zu wenig. Neben der reinen Leistung ist vor allen Dingen die Stromlieferfähigkeit des Verstärkers wichtig. Es kommt auf das optimale Zusammenspiel zwischen Lautsprecher, Verstärker und Raum an.

Nur bei genauer Kenntnis aller Parameter der an der Kette beteilgten Komponenten (einschließlich Raum) läßt sich eine halbwegs genaue Abschätzung des Leistungsbedarf machen, ansonsten muß ausprobiert werden.